In der Stadt Mönchengladbach ist in der Corona-Pandemie die Zahl der Bewerbungen um einen Ausbildungsplatz stark zurückgegangen. Das geht aus dem Arbeitslosenreport der Freien Wohlfahrtspflege Nordrhein Westfalen hervor, zu der auch die Caritas gehört. 2082 junge Leute bewarben sich 2020/21. Im Ausbildungsjahr 2018/2019 lag die Zahl noch bei 2167.
"Die in der Corona-Krise gestiegene Zahl der Jugendlichen, die nach der Schule ohne Ausbildungsplatz oder Anschlussqualifizierung dastehen und quasi abtauchen, besorgt mich. Auch dass gleichzeitig die Zahl der gemeldeten Ausbildungsplätze sinkt oder stagniert, ist keine gute Entwicklung. Wir dürfen in der Corona-Krise die jungen Menschen im Übergang von der Schule in den Beruf nicht übersehen", sagt Stephan Jentgens, Diözesancaritasdirektor im Bistum Aachen.
Ein Grund für den Rückgang der Bewerbungen sind die in der Corona-Zeit beschränkten Zugangswege zur Berufsberatung, zur Schulsozialarbeit und zu den Lehrkräften. "In einer für sie ohnehin extrem belastenden Situation stehen Schülerinnen und Schüler der Abgangsklassen ohne Ansprechpartner. Ihnen fehlen Personen, denen sie vertrauen und die ihnen im direkten Kontakt weiterhelfen können. Auch Jobcenter und Arbeitsagenturen waren und sind vielerorts schwer erreichbar", begründet Jentgens die Situation. Seine Sorge ist: "Am Ende tauchen dann auch die Jugendlichen ab und melden sich gar nicht erst ausbildungssuchend."
Die Freie Wohlfahrtspflege Nordrhein Westfalen, zu der auch der Caritasverband für das Bistum Aachen gehört, fordert, dass die verlässliche Begleitung der jungen Leute am Übergang von der Schule in den Beruf durch Lehrkräfte, Schulsozialarbeit und die Arbeitsagenturen verbindlich wiederaufgenommen wird. Das sei auch deshalb notwendig, weil Wirtschaft und Arbeitsmarkt händeringend nach Fachkräften suchen.
"Wir müssen den jungen Menschen hinterhergehen, ehe sie verloren gehen: mit aufsuchenden Angeboten, einer Mobilität der Arbeitsagenturen bis in die Sozialräume hinein, mit regelmäßiger Präsenzberatung beispielsweise in offenen Treffs und anderen Einrichtungen der Jugendhilfe", sagt Roman Schlag, Fachreferent für Arbeitsmarktfragen beim Caritasverband für das Bistum Aachen. Zudem müsse die Elternarbeit bei der Begleitung und Förderung junger Erwachsener mitgedacht und mitfinanziert werden.
Industrie und Handwerk müssten aber auch für mehr Ausbildungsplätze sorgen, so Schlag weiter. Zwar erhalte rein rechnerisch derzeit fast jeder Bewerber eine Stelle, doch in der Praxis brauche man einen Angebotsüberhang von 12,5 Prozent an Ausbildungsstellen. Laut Arbeitslosenreport gab es 2020/2021 in der Stadt Mönchengladbach 1730 gemeldete Ausbildungsplätze, also im Durchschnitt 0,83 gemeldete Stellen je Bewerber. Doch in einzelnen Berufsbereichen ist die Versorgung sehr unterschiedlich.
Neben verstärkten Ausbildungsanstrengungen der Wirtschaft sind nach Auffassung der Caritas mehr Unterstützungen bei der Aufnahme einer Berufsausbildung notwendig. Ausbildungsvorbereitende Maßnahmen, aber auch Angebote des Jugendwohnens und Landesprogramme wie ‚Ausbildungsprogramm NRW‘ oder ‚Matchingberater‘ hält sie für hilfreich. "Leider stockt die Landesregierung diese Programme nicht auf, ja lässt sie zum Teil auslaufen. Das halten wir für eine Fehlentscheidung", sagt Diözesancaritasdirektor Stephan Jentgens.
Der Arbeitslosenreport Nordrhein Westfalen der Wohlfahrtsverbände zeigt auch, dass am Ende des Ausbildungsjahres 2020/21 sehr oft Bewerber ohne Schulabschluss sowie junge Menschen mit Schwerbehinderung oder ausländischer Staatsangehörigkeit zu denjenigen gehören, deren Situation besonders prekär ist. Ohne Ausbildungsplatz, ohne Fördermaßnahme, ohne weiteren Schulbesuch und ohne Arbeitsplatz gelten sie als "unversorgt". Ihre Zahl liegt nach der Statistik der Bundesagentur bei knapp 110 in der Stadt Mönchengladbach.
"110 junge Menschen, die am Ende eines Ausbildungsjahres als Unversorgte dastehen, ohne schulische oder berufliche Perspektive - das sind 110 junge Menschen zu viel", sagt Roman Schlag. Diese jungen Menschen dürften nicht als "Generation Corona" ins Abseits geraten. "Um sie zu erreichen, brauchen wir jetzt deutlich mehr aufsuchende Angebote im Sozialraum, auch in neuen und ungewöhnlichen Kooperationen, etwa mit Vereinen, offenen Treffs und anderen Einrichtungen der Jugendhilfe. Gerade ehemalige Förderschüler sollten dabei besondere Aufmerksamkeit finden", sagt Schlag.
Die Wohlfahrtsverbände in NRW veröffentlichen mehrmals jährlich in Kooperation mit dem Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen den "Arbeitslosenreport NRW". Basis sind Daten der offiziellen Arbeitsmarktstatistik der Bundesagentur für Arbeit. Hinzu kommen Kennzahlen zu Unterbeschäftigung, Langzeitarbeitslosigkeit und zur Zahl der Personen in Bedarfsgemeinschaften, um längerfristige Entwicklungen sichtbar zu machen. Weitere Informationen gibt es unter www.arbeitslosenreport-nrw.de.